Vita - Hans Werner Jorda

 

Von seiner Sorte gib es unter den Schulleitern immer weniger. Bloß nicht anecken, scheint die Devise von vielen zu sein, die heute auf einen Rektoren- oder Direktorenposten kommen. Ganz anders Hans Werner Jorda: Furcht vor Konflikten ist dem Leiter der Fürstenbergschule fremd, manchmal scheint es, als suche er sie geradezu.

Das aber wäre dann doch zu viel gesagt. Jordas Herz schlägt eben für Schule, die Schüler und das Kollegium – und wenn er sieht, dass etwas schiefläuft, dann kann er sich aufregen und sehr hartnäckig sein. Die städtischen Ämter wissen ein Lied darüber zu singen, und auch im Kultusministerium rollt mancher die Augen, wenn er den Namen Jorda hört.

Seit 2010 leitet der Sechsundsechzigjährige die Realschule im Nordend, aber seine pädagogische Heimat liegt woanders. Nach dem Deutsch- und Geschichtsstudium kam er 1979 an die Sophienschule in Bockenheim, wurde schon kurz darauf deren Leiter und blieb es 26 Jahre lang. Dass sie und die anderen reinen Hauptschulen geschlossen wurden, hält Jorda für einen „Riesenfehler“. Man könne die Schulform abschaffen, aber nicht deren Schüler. „Die hängen jetzt an Gesamtschulen und Realschulen rum und scheitern ohne Ende.“ Äußerlich hat Jorda nichts vom zwischen Sozialarbeiter und Handwerksmeister changierenden Typus vieler Hauptschul-Rektoren. Er kleidet sich elegant, trägt gerne Rollkragenpullover und schmale Stiefeletten. Womöglich hängt dieses Stilbewusstsein zusammen mit seinem Faible für Italien. Wenn er vom kulturellen Reichtum der norditalienischen Städte schwärmt, schweift der Blick an die Wände seines Büros, wo Zeichnungen der Piazza  delle Erbe in Verona und Brunelleschis Florentiner Domkuppel hängen.

Die Sommerferien verbringt Jorda mit seiner Frau, die auch Lehrerin ist und mit der er schon früh ein Haus in Bad Vilbel gebaut hat, stets in Südtirol. Er schätzt die Mischung aus alpin und mediterran, „aus Pasta und Knödel“. Dass ihm diese doppelte Liebe nicht anzusehen ist, liegt auch daran, dass er auf dem Rennrad schon manchen Alpenpass überquert hat.

Aufgewachsen ist Jorda in einem Dorf in der Rhön. In der winzigen Dorfschule habe es einen Lehrer für alle gegeben, erinnert er sich. Der habe damals das, was heute als „Binnendifferenzierung“ zum pädagogischen Modebegriff avanciert ist, in extenso betrieben: Weil es je Jahrgang nur drei Schüler gab, blieb gar nichts anderes übrig, als die Aufgaben alters- und leistungsgerecht zuzuschneiden. Generell zweifelt Jorda daran, dass heterogene Gruppen etwa an Integrierten Gesamtschulen dem Lernerfolg dienten. Insbesondere die schwachen Schüler würden blockiert, weil sie ständig ihre Unterlegenheit zu spüren bekämen.

Er selbst, als Grundschüler nach Frankfurt gekommen, sei in den Fremdsprachen sehr gut, sonst aber nur Mittelmaß gewesen. Am Ende der Realschule sei dann „der Groschen gefallen“; er wechselte auf die noch junge Ernst-Reuter-Schule, wo ihn Lehrer, die nur ein paar Jahre älter waren als er, mit den Schriften von Adorno, Mitscherlich und Marcuse konfrontiert hätten. Am Diskurs und an der Ironie hat er bis heute Freude: Im Politik-Unterricht steigt er ins Thema gern über eine Karikatur, zum Beispiel zum Brexit oder zur Flüchtlingspolitik.

Sehr viele solcher Einstiege bleiben nicht mehr. Eigentlich könnte Jorda schon in Pension sein, doch er hat um ein halbes Jahr verlängert. Wenn er in drei Monaten seine Abschiedsrede hält, dann steht zu hoffen, dass er sich auch bei dieser Gelegenheit ein paar klare Worte nicht verkneifen kann.

 

Abschied nach 15 215 Tagen als Schulleiter

Raten Sie mal, nach wie vielen Tagen im Schuldienst Hans Werner Jorda sich gestern in den Ruhestand verabschiedet hat. Es sind genau 15 215. Ehrlich gesagt: Wir haben das nicht nach recherchiert. Aber die Angabe stammt von Schulamtsdirektorin Barbara Schönfeld und ist somit quasi amtlich.

Allein 30 Jahre war Jorda an der Sophienschule, die meiste Zeit als deren Leiter. Wie sehr er die Bockenheimer Hauptschule geprägt hat, wurde gestern bei der Abschiedsfeier deutlich, auf der sein Mentor, der frühere Schulamtsdirektor Heinz Haag, und die Kollegen von der Sophienschule die geteilten Erlebnisse Revue passieren ließen. Und auch die Lehrer und Schüler der Fürstenbergschule, die Jorda seit 2009 leitete, bedankten sich für seinen kollegialen Führungsstil, seinen Humor, seinen Einsatz und sein großes Herz für die Schüler. Dabei musste sich Jorda auch die eine oder andere Spitze anhören über sein Faible für elegante Kleidung, guten Wein und überhaupt die schönen Dinge des Lebens. Besonders witzig, da mit hessischer Babbelschnut vorgetragen, gelang das Nicola Gudat, der Leiterin der Anne-Frank-Schule, in deren Aula die Feier stattfand. Für Jorda schloss sich damit ein Kreis, denn als Junge ist er selbst auf die Realschule am Dornbusch gegangen. Seinen Abschied nutzte er zu klaren und eindringlichen Worten, wie man sie von ihm kennt. „Beziehungsarbeit ist das A und O, der Lehrer muss die Schüler an die Hand nehmen und ihnen den Weg in ein selbstbestimmtes Leben weisen“, sagt er gestern zum Abschied.